LEA ROSH WIRD 80 – Vielfache Vorkämpferin
BERLIN Zuletzt war sie Initiatorin eines Offenen Briefs an Angela Merkel. „Wir müssen die Bundeskanzlerin jetzt in ihren Bemühungen für ein offenes und solidarisches Europa unterstützen“, mahnte Lea Rosh im Februar – und fand prominente Unterstützer wie Daniel Hope, Herta Müller und Daniel Barenboim.
Die streitbare Journalistin, die am kommenden Samstag, 1. Oktober, 80 Jahre alt wird, ist seit jeher eine Vorkämpferin für Flüchtlinge und verfolgte Minderheiten. „Ihr Markenzeichen ist der moralisch erhobene Zeigefinger“, schrieb der Schriftsteller Rafael Seligmann einmal.
Vor allem aber ist ihr Name mit dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin verbunden. Ohne ihren jahrelangen, bisweilen fast fanatischen Einsatz wäre das Stelenfeld am Brandenburger Tor wohl nie gebaut worden. Heute gilt es mit seinen Millionen Besuchern als einer der wichtigsten Orte der Stadt – und weltweit als ein Symbol für die Bereitschaft der Deutschen, sich dem dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte zu stellen.
„Ich glaube, uns ist etwas Gutes gelungen“, sagt Rosh. „Das wird bleiben – wie der Kniefall von Willy Brandt in Warschau.“ Bis heute ist sie stellvertretende Vorsitzende im Kuratorium und treibt die Erforschung der Todesschicksale voran.
Als die erfolgreiche TV-Journalistin mit SPD-Parteibuch 1988 die Initiative für das Mahnmal gründete, ahnte sie noch nicht, dass es einst ihre Lebensaufgabe würde. Die Idee stammte von dem Stuttgarter Historiker Eberhard Jäckel, mit dem sie eine aufsehenerregende TV-Dokumentation zum Holocaust drehte – „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“.
Es folgen Jahre des erbitterten politischen Hickhacks. 1995 lehnt der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl einen bereits gekürten Wettbewerbsentwurf ab. 1999 beschließt der Bundestag endlich mit großer Mehrheit die Umsetzung des Vorschlags von US-Künstler Richard Serra und Architekt Peter Eisenman.
Immer wieder gerät auch die Initiatorin selbst in die Schusslinie – etwa 2001 mit dem provokanten Plakat „Den Holocaust hat es nie gegeben.“ Nur klein stand darunter: „Es gibt immer noch viele, die das behaupten.“ Noch bei der Einweihung 2005 sorgt sie für Aufsehen, als sie den Backenzahn eines unbekannten jüdischen Holocaust-Opfers in einer der Stelen versenken will.
Längst sind Spitznamen wie „Holocaust-Kassandra“ und „Gedenk-Domina“ in Umlauf. Oder Witze wie: „Wer ist bescheuert, möchte aber gern meschugge sein?“ Das ficht sie nicht an. „Die Botschaft, die wir haben, ist ja auch keine sehr freundliche. Wir sagen den Deutschen, dass sie gemordet haben. So eine Botschaft hört keiner gern.“
Wie kommt es zu ihrer Leidenschaft? Das Interesse an dem Thema sei schon während ihres Geschichtsstudiums entstanden, sagt die gebürtige Berlinerin. Ihr Großvater mütterlicherseits war Jude, viele Verwandte wurden in der NS-Zeit verfolgt, ihr Vater fiel im Krieg.
Dennoch machte sie zunächst als Journalistin auch mit anderen Themen Karriere: Nach Stationen beim Rias Berlin, dem Sender Freies Berlin (SFB) und dem NDR moderierte sie als erste Frau das ZDF-Politmagazin „Kennzeichen D“. Von 1991 bis 1997 führte sie das NDR-Landesfunkhaus Hannover – erneut als erste Frau in einer solchen Position.
1999 gründet sie ihre eigene Firma Lea Rosh Kommunikation & Medien, die sie bis heute betreibt – sieben Tage die Woche, wie die bewusst kinderlos gebliebene Publizistin erzählt. Ihr Mann und Partner, der Architekt Jakob Schulze-Rohr, starb 2008. „Jakob ist ganz unersetzlich“, schreibt sie auf ihrer Homepage.
Der runde Geburtstag jetzt schreckt sie nicht. „Ich halte es mit Adenauer. Der hat zu seinem 81. Geburtstag gesagt: Jetzt fang ich grad erst an.“